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Tage bin ich schon schon hier. 

Es kommt mir gar nicht so vor, aber der Kalender wird mich schon nicht anlügen. Eine Lüge ist es sicherlich zu behaupten, dass ich begriffen habe, hier zu sein. Das ganze fühlt sich zwar nicht nach Urlaub an, aber auch nicht wie Alltag.

  
  Ein interkultureller Discounterverlgeich

Verschiedentlich wurde ich gefragt, was ich mir denn schon alles angeschaut habe? Nun ja – weit gekommen bin ich nicht. Ich finde – ohne Navi – in die nächst gelegenen Städte, zum Supermarkt, zum Flughafen und zum nächsten Müllcontainer. Den einen oder anderen – ich sag mal – müllverwöhnten Deutschen mag es verwundern, aber hier kommt keine Müllabfuhr. Hier ist man selbst der Müllmann. Das lässt mich jedes Mal brav mit meinen Stoffbüdeln einkaufen gehen, um möglichst viel Plastik zu vermeiden. Nur um zu Hause festzustellen, dass ich, wie die Mallorquiner, sämtliches Obst und Gemüse säuberlich in einzelne Plastiktüten verpackt hab. 😦 Für jemanden, der viel von diesem Kram isst, irgendwie unpraktisch. Ansonsten – ja, viel Schande über mein Haupt – bin ich hauptsächlich bei Lidl anzutreffen. Von wegen Kosmopolitin und so. Es ist ja fast peinlich, aber dieser Discounter gibt einem im liebsten Bundesland des Deutschen, ein vertrautes Gefühl. Nicht zuletzt, weil hinter jedem Regal vertraute Laute erklingen. „Schatzi, guck mal, die haben hier sogar bayrische Weißwürste. Ich hätte gerne welche zum Abendessen!“ Im Geiste verfluche ich still und heimlich meine Landsleute. Nur um von meinem Gewissen in der nächsten Sekunde getadelt zu werden. Was war noch gleich der Grund, warum auch ich im Lidl anzutreffen bin? Um es für mich besser zu machen, versuche ich mich während des Einkaufs nun auf das Studium der deutsch/spanischen Lidl-Unterschiede zu konzentrieren. Die bieten hier mehr regionale Produkte in der Obst- und Gemüseabteilung an (hihi), ein gibt ein Kunden-WC, es stehen auch Einkaufskörbe zur Verfügung und ein wesentlich größerer Anteil an Fleisch- und Fischwaren. Außerdem werden mallorquinische Produkte besonders gekennzeichnet und sowohl die Kassierer als auch die Kunden haben ewig Zeit. Braucht die Omi beim Bezahlen 4 Minuten (keine Übertreibung) um auch noch den letzten Cent aus der Reserveecke Ihres Portmonees zu kramen regt sich niemand auf. Nur ich scharre innerlich mit den Hufen. Einen herzlichen Dank an die Discounter in der Heimat. Dank der Nachfrage nach der gewünschten Zahlart“Bar, oder mit Karte?“ beim Einbiegen auf den Kundenparkeplatz und des Scannens der Produkte in Lichtgeschwindigkeit, sehe ich mich persönlich nur noch als Zeitwert mit Euronoten über dem Kopf. Mit Ihrer Schnelligkeit schaffen die mit Ihrer Scanner-Kasse den ‚Kessel-Run‘ bestimmt in nur 11 Parsecs und lassen den Milleniumfalken alt aussehen. Ich schweife ab…  Jedenfalls hoffe ich, dass bald etwas von dieser Ruhe auf mich übergeht und ich nicht als typisch-deutsche Nörglerin dastehe. Ansonsten lässt – nach ersten Beobachtungen – kein Mallorquiner seinen Einkaufswagen stehen, wenn er etwas am Eingang vergessen hat, aber schon im letzten Gang angekommen ist. Immerhin kann ich schon sagen, dass ich gerne mit Karte zahlen möchte, denn hier werde ich das nicht gefragt. In Zukunft   plane ich mich vermehrt in spanischen Supermärkten aufzuhalten. Ich brauche nämlich Teefilter – die hat Lidl nicht. Man darf also gespannt sein. 

Ein interkultureller Fleischvergleich

Meine nächste Beobachtung hat auch was mit Essen zu tun. ACHTUNG. Der folgende Abschnitt eignet sich weder für Veganer, Vegetarier noch Schafliebhaber!! Ich meine das Ernst. Vielleicht einfach den Abschnitt überspringen? Muss jeder selbst wissen. Es hat sich heute der Umstand ergeben, dass sich ein junges Schaf, also ein Jungbock auf dem Küchentresen präsentiert hat. Nicht etwa in hüpfender und die Küche demolierender Art und Weise. Nein- ohne Haut und so. Von der Schlachtung des Tieres wusste ich vorab und ebenso das ein Teil des Fleisches hier verbleiben sollte. Weitere Überlegungen hatte ich dazu nicht angestellt. Warum auch?Da steht dann also plötzlich jemand vor der Küchentür, einen Jungbock über der Schulter und fragt welches Stück ich davon haben möchte. Ähm ja -gute Frage. Bin ja kein Fleischfachmann und schon drei Mal kein Spanischexperte, sodass meine spanische Aussage „ich weiß nicht“, darauf bezogen wurde, dass ich der Sprache nicht mächtig bin und nicht darauf, dass ich nicht weiß welches Stück vom Tier ich haben will. Wie sagt man so schön? Ich war mit der Gesamtsituation überfordert. Zum Glück ist die improvisierte Zeichensprache international verständlich. Also ich hab ich einfach auf ein Hinterbein gezeigt, das dann vor meinen Augen in meiner Küche fachmännisch abgetrennt wurde. Da stand ich also – mit einem abgetrennten Hinterbein in der Hand. Ich sah wohl recht verwirrt und hilflos aus, sodass das Bein dann, netterweise, noch für mich zerteilt wurde. So manches Mal hab ich gedacht, ich bin im falschen Film und dass es gut ist, dass ich nicht empfindlich bin. So ein heimisches Erlebnis führt dazu nachzudenken. Mir ist nur eins dazu eingefallen: unter Folie sieht das anders aus. So und nicht anders kaufen wir doch meistens Fleisch ein. Ich fand die Erfahrung jedenfalls sehr lehrreich. 

  
Wo sich vielleicht gerade einige Leute fürchten. Dazu noch eine kleine Geschichte. Stellt Euch vor: Ihr seid allein auf einem recht großen Areal. Es ist dunkel. Ihr wisst nicht, wo Ihr die Sicherung für die ausgefallene Außenbeleuchtung reindrehen könnt. Weiter als der Radius Eurer Stirnlampe könnt Ihr nicht gucken. Bevor Ihr ins Bett geht, müssen die Hunde nochmal raus. Da steht Ihr – umgeben von Dunkelheit. Die Hunde kennen zum Glück den Ablauf. Plötzlich seht Ihr in der Ferne eine Bewegung. Ein blau schimmerndes Augenpaar kommt auf Euch zu. Oh Gott – es muss der Hund aus Baskerville sein  und ich bin nicht mehr auf Mallotze, sondern in Dartmoor. Dann bin ich beruhigt. Der Hund von Baskerville hatte rot glühende Augen. Fehlalarm! Trotzdem bewegt sich das Aufgenpaar in rasanter Geschwindigkeit auf mich zu und erreicht den Kreis der Stirnlampe. Dann sehe ich das nächste Augenpaar auf mich zukommen. Dieses Mal sind es rot schimmernde Augen. Oh, oh. Doch keine Entwarnung. Auch dieses Augenpaar erreicht meine kleine Lichtinsel, die der Dunkelheit trotzt.

Wir sind also vollzählig und gehen wieder rein.    
Gut, dass ich auch in diesem Bereich nicht empfindlich bin. 🙂

Ich würde sagen, man kann diesen Aufenthalt getrost als abenteuerlich bezeichnen. Mir gefällt es super. 

  

Jedes Abenteuer beginnt mit einem ersten Schritt.

2015

hat die Eva sich wieder für ein paar verrückte Sachen entschieden, die ab 2016 Auswirkungen haben.

So ist es nicht verwunderlich, dass Euch dieser Blogbeitrag aus dem Ausland erreicht. Ich sitze bei 18 Grad am Pool und hebe meinen Blog wieder aus Versenkung hervor. Damit ich diese Annehmlichkeiten genießen konnte, war es nötig eine weite Reise auf mich zu nehmen. Aus dem beschaulichen Ösch ins noch beschaulichere Nichts auf Mallorca. Auch dieses Mal gilt – wer an meinen Erlebnissen teilhaben will, der kann sich hier auf dem Laufenden halten.

Aber was ist eigentlich passiert und was hat Sie nach Mallotze verschlagen? 2015 war ein sehr turbulentes Jahr. Ich hab im Februar den Job gewechselt, um mal zu gucken, was die Leute im öffentlichen Dienst treiben. Dr. Neis stand zur Debatte, ich habe ein paar (persönliche) sportliche Rekorde gebrochen, ich war noch nie so viel auswärts essen, ich hab mich vom Ruhrpottcharme verzaubern lassen, ich bin selten vor 23:00 Uhr ins Bett gegangen, wurde mehrfach auf einer Hochzeit mit der Braut verwechselt, ich hab festgestellt, dass ich noch immer keinen Kaffee mag, bin mit der neuen U-Bahn von Köln gefahren, ich bin zwei Mal nach Mallorca geflogen, ich hatte eine grandiose Geburtstagsfete, war schon am geheimen Aufenthalsort von Luke Skywalker, bin zwei Mal mit einer Seilbahn über den Rhein gegondelt, hab verrückte Freundschaftsdienste eingefordert, bin im Suff gestürzt, besitze endlich einen AMT/ERTL Sternenzerstörer in Fiberoptic, war auf einer Weihnachtsfeier der Bahn, bin weder nach Rumänien noch Neuseeland gereist, bin ziemlich vielen Leuten mit meinem Lieblingsthema auf den Keks gegangen, hab Leipzig und Dresden besucht, hab mir kein bisschen Ruhe gegönnt, hab schätzungsweise 2 Kilo Zimplätzchen gefuttert, bin ein Fan von Poe geworden, hab neue Freunde gewonnen und andere verloren, hab gelernt was Rückhalt bedeutet und habe beschlossen meinem Nomaden-Dasein ein neues Kapitel hinzuzufügen.

4 Jahre Niederrhein liegen hinter und eine ungewisse Zukunft vor mir. Es lässt sich nur schwer realisieren, wenn man im Januar mit ner fetten Erkältung bei schönstem Sonnenschein am Pool abhängt und einen Blogbeitrag schreibt. Oder sehe ich das falsch?

Jedenfalls hat sich gezeigt, dass die Tätigkeit im öffentlichen Dienst nicht meinem Naturell entspricht. Daher hab ich mich von dieser Arbeit getrennt und hab die sich bietende Möglichkeit einer Auszeit auf Mallorca angenommen. Beim Rest bin ich optimisch. Meistens fügt es sich und ein bisschen ausruhen hat ja noch keinem geschadet. Es ist natürlich offensichtlich, dass ich ohne eine Beschäftigung nicht auskomme. Daran arbeite ich zurzeit fieberhaft. Wenn es dazu mehr gibt, dann erfährt Ihr es auch hier.

Jetzt bin ich etwas über 1.600 Kilometer mit dem besten aller – mit Hagelschaden entstellten – Golfs unterwegs gewesen und muss sagen, dass ich froh über dieses Stück Unabhängigkeit und Heimat bin. Nur ist es komisch, dass Auto vor der Haustür stehen zu sehen, aber sicher nicht jedem der fragt zu bestätigen, dass ich von Mykonos stamme.

Bevor ich jedoch aufgebrochen bin, gab es eine kleine (Überraschungs)-Party mit einer abgefahrenen Glühbirne, die jede Fassung in eine Discokugel verwandelt. Aber Vorsicht – kann bei Mensch und Tier Krampfanfälle auslösen. Das Catering war sponsert bei Mutti, denn ich habe mir zum Abschied einen echten Öscher ‚Döppekooche‘ gewünscht. In Neis’scher Tradtion mit Milchreis als Vorspeise und selbstgeamchten Apfelmus zum Hauptgang. Irgendwie war nachher nur noch Zimt und Zucker übrig, aber jeder hätte gerne noch was gegessenen. Also ein Kompliment an die Küche. Ansonsten sah der Partyraum so aus, als ob eine Horde wildgewordener Karnevalsjecken die Uraufführung der nächsten Kappensitzung geprobt hätten. Die Kappensitzung kann auf jeden Fall kommen. Ich habe mich allerdings als Partycrasher unbeliebt gemacht, da ich vor dem Start der Reise noch ein paar Stunden Schlaf wollte. Wir haben die ‚richtige‘ Party dann auf meine Rückkehr gelegt. Wer weiß die Küche dann aussieht?


Ich hatte auf diesem Trip mit so einigem gerechnet, aber es hat alles geklappt. Keine Autopanne, keine Sprachverständigungsprobleme in Frankreich. Die auch nur nicht durch die in Lautschrift vorbereiten Sätze einer Freundin. Bei der Zwischenübernachtung in Frankreich hab ich mir zielsicher ein Hotel mit Lage direkt neben einem Umschlagbahnhof gesucht. Sicher tut es auch nicht Not zu erzählen, dass die Wände aus Papier und ein quengelndes Kleinkind in unmittelbarer Nähe genächtigt hat. Ach ja, Barcelona ist – machen wir es kurz – scheiße zum Autofahren. Es ist nichts richtig ausgeschildert und die fahren da… Ohne Kommentar. Nach einer guten Stunde hatte ich zumindest durch Zufall herausgefunden wo meine Fährgesellschaft Ihr Terminal hatte. Gut, dass ich schon den ein oder anderen hektischen Ort bereist habe. Das und der Erkältungs-Brummschädel gepaart mit der „ist mir doch alles scheißegal“ Einstellung, haben mich mit einer stoischen Ruhe durch diese Stadt navigiert.
 So konnte ich bald mein Gölfchen, dass ich Adama (wenn man die Anspielung versteht, macht der Name durchaus Sinn)  nenne, auf der Fähre unterbringen. Abfahrt war um 23:00 Uhr und Ankunft um 07:00 Uhr in Palma. Den reservierten Sitzplatz hatte ich mir anders vorgestellt. Es lief zwar eine Folge Navy-CIS, aber auf Spanisch machen Gibbs und Co einfach keinen Spaß. Außerdem roch es da nicht sonderlich heimelig. Die Vorstellung mit einer verstopften Nase schon so zu reagieren, machte es nicht besser. Letzten Endes hab ich dann auf der Bank des Bordrestaurants geschlafen, sofern man das so nennen kann. Die Fähre hat pünktlich angelegt und so konnte ich die letzte Etappe Richtung neuer Heimat in kürzester Zeit zurücklegen. Allerdings hat mich der dichte Nebel sehr überrascht. Zwischenzeitlich war es schwierig die Hand vor Augen zu erkennen.

In diesem Sinne: das Abenteuer Mallorca kann beginnen.